Urteile des Landgerichts Erfurt zu Fotorechten und Bildrechten

Das Landgericht Erfurt ist in Thüringen in den Landgerichtsbezirken Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen (OLG-Bezirk Jena) auf Landgerichtsebene zuständig für fotorechtliche, bildrechtliche und urheberrechtliche Streitigkeiten. Auf Amtsgerichtsebene ist ebenfalls in den all diesen vier Landgerichtsbezirken Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen das Amtsgericht Erfurt zuständig für urheberrechtliche Streitigkeiten und sonstige Streitigkeiten rund um das Lichtbild. Der Gerichtsstand Erfurt wird in foto- und urheberrechtlichen Streitigkeiten zwar nicht so häufig angerufen wie die bedeutsamen Gerichtsstandorte wie beispielsweise Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf oder München. Dennoch gab es in den letzten Jahren aus Erfurt einige viel beachtete gerichtliche Entscheidungen, vor allem Urteile des Landgerichts Erfurt.

 

Landgericht Erfurt Fotorecht: Kammer 3

Beim Landgericht Erfurt gibt es mehrere Zivilkammern und einige Kammern für Handelssachen. Nach einem bestimmten Geschäftsverteilungsplan, der üblicherweise einmal im Jahr neu festgelegt wird, richtet sich die Geschäftsverteilung und damit die Zuständigkeit innerhalb des Landgerichts Erfurt nach einem bestimmten System. Urheber- und fotorechtliche Streitigkeiten, welche beim Landgericht Erfurt eingehen, werden dabei der Zivilkammer 3 des Landgerichts Erfurt zugewiesen. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt ist in Erfurt und aufgrund der thüringischen Sonderzuweisung auch im gesamten OLG-Bezirk Jena zur Entscheidung berufen bei erstinstanzlichen Urheberrechtsstreitsachen und Rechtsstreitigkeiten über gewerbliche Schutzrechte nach § 5 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, soweit sie nicht in die Zuständigkeit einer Kammer für Handelssachen fallen. Diese Sonderzuständigkeit der 3. Zivilkammer erstreckt sich auch auf Berufungs- und Beschwerdeverfahren; erstinstanzliche Wettbewerbsstreitigkeiten; erstinstanzliche Rechtsstreitigkeiten aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte und Notare und insbesondere Anträge nach §§ 127 ff. GNotKG und Beschwerden nach der Bundesnotarordnung, dem Beurkundungsgesetz und nach § 56 i. V. m. § 44 RVG; Beschwerden gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem 8. Buch der ZPO und dem ZVG, soweit das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht entschieden hat; Beschwerden und sonstige in die Zuständigkeit des Landgerichts fallende Angelegenheiten aus dem Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit; erstinstanzliche Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen gemäß dem unter B II Nr. 2 festgelegten Verteilungsturnus; Bearbeitung von Verfahren, Anträgen und ähnlichem, die von einer Zivilkammer zu erledigen und nicht ausdrücklich einer anderen Zivilkammer zugewiesen sind. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt ist somit keine reine „Urheberrechtskammer“, da auch einige andere Rechtsgebiete von ihr bearbeitet werden. Dennoch haben die Richter des Landgerichts Erfurt eine erhebliche Expertise gerade auch im Fotorecht.

 

Landgericht Erfurt Urheberrecht-Urteil vom 23.09.2010 (AZ.: 3 O 229/10)

In einem fotorechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Erfurt im Jahre 2010 ging es um die langjährige unberechtigte Nutzung mehrerer Lichtbilder durch ein Unternehmen. Klägerin des Prozesses in Erfurt war die Lichtbildnerin al Inhaberin der ausschließlichen Bildrechte an den Fotos. Die Beklagte hatte sich in dem Verfahren vor dem Landgericht Erfurt darauf berufen, die Bilder seien ihr von einem dritten Unternehmen zur Verfügung gestellt worden, welches die Bilder seit Jahren in Prospekten verwende. Sofern dieses Unternehmen daher nicht die Nutzungsrechte an den Bildern innegehabt hätte, hätte sie zumindest kein Verschulden getroffen. Außerdem sei das Vorgehen der Inhaberin der Bildrechte rechtsmissbräuchlich, da eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen worden sei. Außerdem trug der Rechtsanwalt der Beklagten vor, das Landgericht Erfurt sei unzuständig. Das Landgericht Erfurt verneinte jedoch im Ergebnis alle Einwendungen der Beklagten und verurteilte diese gegenüber der Klägerin zur Auskunftserteilung, Zahlung von Schadensersatz dem Grunde nach und zur Erstattung der Kosten für die anwaltliche Abmahnung.

 

 

 

Das Landgericht Erfurt hat in seinem viel beachteten urheberrechtlichen Urteil wörtlich wie folgt entschieden:

 

 

 

„Die Klage ist zulässig.

 

Das Landgericht ist gemäß § 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig, da der Streitgegenstand einen Geldeswert von 5.000,00 EUR übersteigt. Auszugehen ist von dem Interesse der Klägerin, das in der Klageschrift zunächst mit 5.001,00 EUR beziffert wurde. Mit Schriftsatz vom 13.8.2010 (Blatt 131 der Akte) konkretisierte die Klägerin ihren Schaden auf Beträge zwischen 3.500,00 € und 18.000 € bei einer drei- bis fünfjährigen Nutzung der Lichtbilder. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 11.08.2010 schlug die Klägerin dem Beklagten als Schadensausgleich einen gemittelten Betrag in Höhe von 5.800,00 EUR vor. Ausgehend von diesen Angaben, ist das Angriffsinteresse der Klägerin an der begehrten Auskunft gemäß § 3 ZPO in Höhe eines Viertels und die beantragte Feststellung in Höhe von 8/10 des gemittelten Betrages zu bewerten. Aus den gemäß § 5 ZPO zu addierender Beträgen folgt ein Zuständigkeitsstreitswert von 6.090,00 EUR.

 

Die Klage ist begründet.

 

Der Klägerin stehen nach §§ 97 Abs. 1, 72 UrhG, 242 BGB die Ansprüche auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu. Der Beklagte hat schuldhaft und rechtswidrig das Recht der Klägerin an ihren Lichtbildern verletzt. Daneben besteht ein Anspruch auf Wertersatz gem. §§ 812, 818 Abs. 2 BGB, der ebenfalls die Klageanträge rechtfertigt.

 

Die Klägerin ist als Lichtbildnerin Inhaberin der Rechte an den streitgegenständlichen Lichtbildern. Gemäß §§ 72 Abs. 1, 10 Urhebergesetz ist die Rechtsinhaberschaft der Klägerin zu vermuten, weil sie auf den nicht bestrittenen Prospekten der xxx in der üblichen Weise als Lichtbildnerin bezeichnet wurde. Im Übrigen ist von einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast auch deshalb auszugehen, weil der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, was die Urheberschaft des Erklärungsempfängers ebenfalls vermuten lässt. Es ist deshalb Sache des Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass die Klägerin nicht Rechteinhaberin sein soll.

 

Der Verweis auf § 43 Urhebergesetz erfüllt diese Voraussetzung nicht. Grundsätzlich ist gemäß § 43 Urhebergesetz davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber oder Dienstherr ein einfaches Nutzungsrecht an Lichtbildern erhält, die im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses geschaffen wurden. Das Urheberrecht selbst verbleibt bei dem Arbeitnehmer oder Dienstverpflichteten. Dass die Klägerin ihrem damaligen Dienstherrn ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt haben soll, ist nicht dargetan. Dass der Arbeitgeber seine Arbeitsmittel bereitgestellt hat, begründet kein auf ihn übergegangenes ausschließliches Nutzungsrecht.

 

Von einem Verschulden des Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 UrhG, 276 Abs. 2 BGB ist auszugehen. Der Beklagte handelte fahrlässig. Fahrlässigkeit wird gem. § 276 Abs. 2 BGB angenommen, wenn die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, etwa indem vorhandene Prüfmöglichkeiten unbeachtet blieben. Im Urheberrecht werden strenge Sorgfaltsanforderungen gestellt (Fromm/Nordemann, 10. Auflage, § 97 Rn 63, Wandtke/Bullinger, 3. Auflage, § 97 Rn. 52 m. w. N.). Es besteht eine umfassende Prüfungspflicht. Es genügt in aller Regel nicht, sich auf Zusicherungen zu verlassen (Wandtke/Bullinger a. a. O.). Vorliegend hat sich der Beklagte ohne eigene Prüfung auf ein von der Firma xxx abgeleitetes vermeintliches Nutzungsrecht verlassen, was nicht ausreichte. Die Firma xxx konnte als juristische Person nicht als Lichtbilder in Betracht kommen. Zudem fehlte auf den Lichtbildern eine Urheberbezeichnung. Der Beklagte konnte daher nicht ohne Weiteres von einem ausschließlichen Nutzungsrecht der bereitstellenden Firma xxx ausgehen, sondern hätte dazu Nachforschungen anstellen müssen.

 

Überdies besteht ein verschuldensunabhängiger Bereicherungsanspruch der Klägerin aus §§ 812, 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz. Der Beklagte hat das durch den rechtsgrundlosen Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin Erlangte gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herauszugeben und zuvor über die Verwendung der Lichtbilder gem. § 242 BGB Auskunft zu erteilen. Der Anspruch entspricht im Ergebnis der Schadensersatzhaftung, wenn der Verletzte die Berechnungsmethode der Lizenzanalogie wählt (Wandtke/Bullinger a. a. O., Rn 93).

 

Die Durchsetzung der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ist nicht rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbrauch gemäß § 8 UWG oder eine unzulässige Rechtsausübung entgegen §§ 242, 826 BGB setzen voraus, dass der Anspruchsberechtigte überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Rechtsdurchsetzung erscheinen (Hefermehl/Köhler, UWG, 27.Auflage, § 8, Rn 4. 10; Palandt/Grüneberg, 69.Auflage, § 242 Rn 38 ff. jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Klägerin ging im vorliegenden Fall, wie auch in den übrigen Fällen, gegen die Verletzung ihres Urheberrechts vor. Die massenhafte Verfolgung allein ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der Rechteinhaber wäre sonst bei massenhaften Verstößen schutzlos (Fromm/Nordemann, a.a.O. Rn 190 m.w.N.).

 

 Schließlich ist auch nicht von einer Erfüllung der Schadensersatzansprüche der Klägerin auszugehen. Es ist nicht dargetan, dass die Klägerin Zahlungen in einem Umfang erhielt, mit denen sämtliche Schadensersatzansprüche befriedigt wurden. Die Ansprüche der Klägerin hängen ab von der Zahl der Schädiger und der Schwere der Verletzungshandlungen. Eine vollständige Erfüllung ist eingetreten, wenn sämtliche Störer Schadensersatz geleistet haben. Aus den zugrunde gelegten Zahlen ist dieser Umstand nicht zu entnehmen. Die dem Beklagten zu hoch erscheinende Summe ist kein Indiz für eine vollständige Erfüllung, sondern durch die Vielzahl der Verletzungshandlungen und dem daraus folgenden Schaden bedingt.

 

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten gem. § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG. Danach kann der Verletzte den Ersatz des erforderlichen Aufwands einer berechtigten Abmahnung verlangen. Die Abmahnung war gem. § 97a Abs. 1 UrhG berechtigt, weil der Beklagte gegen das Urheberrecht der Klägerin verstoßen hatte und die Gefahr einer wiederholten Verletzung ihrer Rechte bestand. Der Rechteinhaber ist berechtigt, rechtlich selbständige Verletzer, die parallel inhaltsgleiche Verletzungshandlungen vornehmen, gesondert in Anspruch zu nehmen (Wandtke/Bullinger a. a. O., Rn. 21). Ein im Vordergrund stehendes Gebührenerzielungsinteresse ist nicht zu erkennen. Die Klägerin verfolgte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Übermäßige Kosten sind nicht angefallen.

 

Der geltend gemachte Aufwand war auch erforderlich. Die Klägerin durfte zur Wahrung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt einschalten. Auch wenn es sich um eine Vielzahl gleich gelagerter Verstöße handelte, war die Klägerin nicht gehalten, die Abmahnschrift selbst zu fertigen und an den Beklagten zu versenden. Die Abmahnung soll den Rechtsunkundigen belehren und von weiteren rechtswidrigen Handlungen abhalten. Es ist nicht dargetan, dass die Klägerin über die alltägliche Routine verfügt, derart qualifizierte Abmahnschreiben zu fertigen.

 

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten handelte es sich bei dem Abmahnschreiben nicht um ein Schreiben einfacher Art gemäß Nr. 2302 VV zum RVG. Der Auftrag umfasste die Durchsetzung sämtlicher Rechte der Klägerin aus der unberechtigten Nutzung ihrer Lichtbilder. Auf die im Rahmen der Abmahnung tatsächlich ausgeführte Tätigkeit kommt es dagegen nicht an (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, VV 2302 Rn 1f). Die vorgerichtlich entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts der Klägerin ist daher gemäß VV 2300 zum RVG in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr wie abgerechnet zu vergüten.

 

Es handelte sich auch nicht um ein Abmahnung in einem einfach gelagerten Fall gem. § 97a Abs. 2 UrhG, wonach der Aufwand auf 100 € beschränkt ist. Einfach gelagert sind Fälle, die keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten ausweisen. Nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien ist jedoch weder von einem tatsächlich noch rechtlich einfach gelagerten Fall auszugehen.

 

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die vorgerichtlich begründeten Rechtsanwaltskosten beglichen hat. Sie ist als Auftraggeberin des Klägervertreters u. a. eine Verbindlichkeit in Höhe des für die Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltshonorars eingegangen. Bei der Belastung mit einer Verbindlichkeit ist anerkannt, dass dies ein gem. § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzender Schaden ist (Palandt/Heinrichs, 69. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn 46 m. w. N). Zum Umfang der Ersatzpflicht sind die Regeln der §§ 249 ff BGB analog heranzuziehen. Abmahnkosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn der Beschwerte mit der Verbindlichkeit belastet ist, denn er könnte gem. § 257 BGB auch die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen.

 

 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.

 

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 5 ZPO.“

 

Landgericht Erfurt Urheberrecht Urteil vom 23.09.2010 (AZ.: 3 O 229/10)