Urteile des OLG Hamm zu Fotorechten und Bildrechten

Das OLG Hamm entscheidet im Bundesland Nordrhein-Westphalen in zweiter Instanz über urheberrechtliche und fotorechtliche Streitigkeiten, die erstinstanzlich vom Landgericht Bochum entschieden worden waren. Das Landgericht Bochum hat im gesamten OLG-Bezirk Hamm auf Landgerichtsebene die Zuständigkeit im fotorechtlichen Bereich. Da das OLG Hamm einen sehr weiten Zuständigkeitsbereich hat und da – wie jeder Jurist seit seinem Studium weiß – vom OLG Hamm immer wieder einmal Entscheidungen getroffen werden, die im Rest der Republik anders getroffen worden wären, kommt den fotorechtlichen Urteilen und Beschlüssen des OLG Hamm eine besondere Bedeutung zu.

 

Urteile und Beschlüsse OLG Hamm Fotorecht: 4. Zivilsenat

Beim OLG Hamm sind dem 4. Zivilsenat urheberrechtliche Entscheidungen zugewiesen. Daher entscheidet der 4. Zivilsenat des OLG Hamm über fotorechtliche Streitigkeiten. Der 4. Senat des OLG Hamm ist ausweislich des aktuellen Geschäftsverteilungsplans (Stand: 2017) zuständig für Streitigkeiten über Ansprüche aus geistigem Eigentum und aus gewerblichen Schutzrechten einschließlich der Ansprüche aus Rechtsgeschäften hierüber, insbesondere die Urheberrechtsstreitigkeiten (§104 UrhG), die Streitigkeiten über Ansprüche aus den im Geschmacksmustergesetz bzw. Designgesetz geregelten Rechtsverhältnissen, die Streitigkeiten aus dem Markengesetz, die Streitigkeiten über Ansprüche aus Verlags- und Lizenzverträgen, die Streitigkeiten über gesetzliche Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs, die Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen in den oben bezeichneten Angelegenheiten, im Rahmen der sonstigen Zuständigkeit des Senats zu obigen Angelegenheiten die Streitigkeiten über Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf aus dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts-und anderen Verstößen (UKlaG), die Streitigkeiten und sonstigen Angelegenheiten aus schiedsrichterlichen Verfahren (§§ 1062 ff. ZPO), soweit sie nicht dem 25. Zivilsenat unter Ziffer 3.) zugewiesen sind, Streitigkeiten über Ansprüche aus unberechtigten Abmahnungen und Verwarnungen aufgrund angeblicher Ansprüche aus den vorgenannten Rechtsgebieten, die Streitigkeiten über Ansprüche aus Schuldverhältnissen aus dem Landgerichtsbezirk Essen, die keinem anderen Senat zugewiesen sind, soweit der Name des Beklagten mit den Buchstaben A bis H beginnt. Mit Ausnahme von einigen zweitinstanzlichen Verfahren, bei denen es sich um Urteile und Beschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Landgerichts Essen geht, ist der 4. Zivilsenat des OLG Hamm damit zuständig für einige spezielle Rechtsgebiete, zu denen auch das Urheberrecht und das Fotorecht zählen.

 

OLG Hamm Fotorecht-Urteil vom 17.11.2015 (Az.:4 U 34/15): Zweckübertragungslehre, Höhe der fiktiven Lizenzgebühren

Das OLG Hamm hat zu seinem Aktenzeichen 4 U 34/15 am 17.11.2015 ein Urteil verkündet, welches mehrere Themenkomplexe zum Fotorecht aufgreift und auch deswegen viel Aufsehen erregte. Zu den Themenkomplexen Übertragungszweckgedanke, Lizenzanalogie, angemessene Lizenzgebühr, Honorarempfehlungen MFM, Auftragsproduktionen, Folgelizensierung an Vertriebspartner des Auftraggebers, Werbefotografien, unterlassener Urhebervermerk, Gegenstandswert bei urheberrechtswidriger Verwendung mehrerer Fotos auf einer Homepage hat das OLG Hamm dabei Ausführungen gemacht, die vor allem im OLG-Bezirk Hamm Auswirkungen haben, da die unteren Gerichte im OLG-Bezirk Hamm (Landgericht Bochum, Amtsgericht Bielefeld, Amtsgericht Bochum) die Vorgaben „ihres“ Oberlandesgerichts erfahrungsgemäß weitgehend umsetzen.

 

 

Kläger in diesem Verfahren war ein international bekannter Fotograf. Dieser hatte für einen internationalen Konzern Modefotografien (Produktfotos) angefertigt. Die Beklagte betreibt einen Onlineshop und hatte 11 von dem Fotografen angefertigte Lichtbilder verwendet. Sie hatte sich darauf berufen, dass der Fotograf dem Konzern die ausschließlichen Nutzungsrechte an sämtlichen Bildern übertragen hätte und dass sie selbst einfache Nutzungsrechte von dem Konzern an den Lichtbildern eingeräumt bekommen habe.

 

 

Auf eine Abmahnung, nach der eine Unterlassungserklärung abgegeben worden war, klagte der Fotograf zunächst beim Landgericht Bochum auf Zahlung von 8.910,00 Euro Lizenzgebühren sowie auf Freistellungskosten in Höhe von 1.752,90 Euro für die vorgerichtliche Abmahnung. Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 15.01.2015 (AZ.: 8 O 267/14) die Beklagte verurteilt, an den Fotografen 4.400,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro freizustellen. Im Übrigen hat das Landgericht Bochum die weitergehende Klage abgewiesen. Beide Parteien legten gegen das Urteil vom 15.01.2015 (AZ.: 8 O 267/14) des Landgerichts Bochum Berufung beim OLG Hamm ein. Das OLG Hamm sprach zwar einen weitgehenden Teil der beantragten Rechtsanwaltskosten zu, erkannte jedoch in Bezug auf die geltend gemachte Lizenzgebühr lediglich einen Anspruch des Fotografen in Höhe von € 110,00 anstelle der geltend gemachten € 8.910,00 an.

 

Das OLG Hamm hielt zunächst fest, dass dem Fotografen die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach zustehen. Die Einwendungen des Beklagten konnten die Richter des Oberlandesgerichts Hamm nicht überzeugen. Denn die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass ihr Nutzungsrechte eingeräumt wurden, da nach Überzeugung des OLG Hamm der Konzern, der in dem Prozess als Nebenintervenient mit beteiligt war, von dem Fotografen keinerlei ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt bekommen hatte und der Beklagten somit auch keine einfachen Nutzungsrechte an den Fotos einräumen konnte. Wörtlich führte das OLG Hamm in seinem Urteil vom 17.11.2015 (Az.:4 U 34/15) insoweit aus:

 

 

„Die Beklagte handelte hierbei widerrechtlich.

 

Denn die Nebenintervenientin hatte der Beklagten zuvor ihrerseits mangels eigener Berechtigung keine entsprechenden Nutzungsrechte einräumen können.

 

Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger der Nebenintervenientin von vorneherein ein umfassendes, ausschließliches Nutzungsrecht an den betreffenden Fotos eingeräumt, oder ihr die Zustimmung zur Übertragung entsprechender Nutzungsrechte an ihre Vertriebspartner erteilt hatte.

 

Eine ausdrückliche Vereinbarung über den konkreten Umfang der Einräumung von Nutzungsrechten an den von der Nebenintervenientin bei dem Kläger in Auftrag gegebenen und von diesem im Mai 2011 erstellten Fotografien, insbesondere eine solche über die Übertragung von Nutzungsrechten an Vertriebspartner der Nebenintervenientin, ist unstreitig nicht getroffen worden. Der Kläger hat der Nebenintervenientin auch keine Zustimmung zur Weitergabe der Fotografien in digitaler Form erteilt – und der Wortlaut der E-Mail der Mitarbeiterin U der Nebenintervenientin vom 09.11.2011 (Anlage K21 – Bl 311 d.A.) und des Schreibens der Nebenintervenientin vom 15.11.2011 (Anlage K23 – Bl 313 d.A.) bestätigt dies.

 

Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus dem Gedanken des § 31 Abs. 5 UrhG.Danach bestimmt sich der Umfang des Nutzungsrechts nach dem mit seiner Einräumung verfolgten Zweck. Das heißt, die Einräumung von Nutzungsrechten erfolgt jedenfalls, aber auch nur – und insoweit erfolgt die Bestimmung des Umfangs der Rechtseinräumung entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin zu Lasten des Verwerters durchaus eher restriktiv - in dem Umfang, den der mit dem Vertrag verfolgte Zweck „unbedingt“ erfordert. Durch den Übertragungszweckgedanken soll eine „übermäßige“ Vergabe von Nutzungsrechten durch umfassende, pauschale Rechtseinräumungen an die Verwerterseite dadurch verhindert werden, dass der Umfang an den konkret verfolgten Zweck des Vertrages angepasst wird. Wegen der urheberschützenden Funktion bestimmt sich der Vertragszweck aus der Sicht des Urhebers. Zweifel, ob ein gemeinsam verfolgter Zweck ermittelt werden kann, gehen zu Lasten des Verwenders (zum Vorstehenden u.a. Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 31 UrhG Rn. 109, 128; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhG, 4. Aufl. § 31 Rn. 39/40). Denn gerade in dem Zweckübertragungsgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG kommt der von der Rechtsprechung geprägte Grundsatz zum Ausdruck (Axel Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., Einl. UrhG Rn. 22), dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgen seines Werkes beteiligt bleibt (BGH GRUR 2002, 248, 251 – Spiegel-CD-ROM).

 

Für den Kläger gilt insoweit kein anderer Maßstab, auch wenn er aufgrund seines Berufes im Gegensatz zur Nebenintervenientin über ein vergleichsweise fundiertes Wissen zum Urheberrecht verfügen sollte. Denn allein dies macht ihn nicht weniger schutzwürdig. Vielmehr ist er wie jeder andere Urheber darauf angewiesen, an dem wirtschaftlichen Nutzen beteiligt zu werden, der aus seinem Werk gezogen wird.“

 

 

Die Ausführungen des OLG insoweit entsprechen den allgemein im Fotorecht anerkannten Grundsätzen. Im Fotorecht gilt wie im gesamten Urheberrecht, dass ausschließliche Nutzungsrechte üblicherweise nur durch ausdrückliche Vereinbarung eingeräumt werden. Das OLG Hamm hat daher zu Recht auf die im Urheber- und Fotorecht anerkannte Zweckübertragungslehre verwiesen. Der zwischen dem Fotografen und dem Konzern (Nebenintervenientin) zugrunde liegende Zweck der Fotoanfertigung war die Verwendung der Lichtbilder durch den Konzern in Katalogen sowie auf dessen Internetseite. Im Rahmen der Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Zweckübertragungslehre gelangte das OLG Hamm zu dem Schluss, dass für diesen Zweck lediglich die Einräumung einfacher Nutzungsrechte, nicht hingegen ausschließlicher Nutzungsrechte erforderlich war. Damit konnte der Konzern der Beklagten keinerlei Nutzungsrechte einräumen oder übertragen, die Verwendung der Lichtbilder durch diesen war daher widerrechtlich.

 

 

Für den Fotografen enttäuschend war jedoch der Umfang, in dem das OLG Hamm in seinem fotorechtlichen Urteil vom 17.11.2015 (Az.:4 U 34/15) den Lizenzschaden berechnete. Das OLG Hamm erkannte einen Schadensersatzanspruch lediglich in Höhe von € 10,00 je Lichtbild, bei insgesamt 11 Lichtbildern somit € 110,00 zu. Darin enthalten ist bereits der geltend gemachte Zuschlag wegen der fehlenden Urheberkennzeichnung. Die MFM-Richtlinien, die das OLG Hamm zwar grundsätzlich als Maßstab heranzieht, sind nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da es sich hier um eine reine Auftragsarbeit des Fotografen für den Konzern gehandelt habe und mit dem Konzern je Lichtbild ein Preis von € 6,14 vereinbart war. Inklusive Zuschlag wegen der fehlenden Urheberkennzeichnung solle sich dann ein Betrag in Höhe von € 10,00 je Lichtbild ergeben.

 

 

Problematisch an dem Urteil des OLG Hamm vom 17.11.2015 (Az.:4 U 34/15) ist insbesondere, dass das Gericht die Höhe des vereinbarten Honorars auf einen Dritten (den Beklagten) übertrug. Insoweit führte das OLG Hamm in seiner fotorechtlichen Entscheidung Folgendes aus:

 

 

„Für das Verhältnis des Klägers zur Beklagten gilt nichts anderes.

 

Denn der Kläger kann sich im vorliegenden Fall nicht dadurch besser stellen, dass er statt des Auftraggebers dessen Vertriebspartner in Anspruch nimmt.

 

Bei der Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr kommt es auf den objektiven Wert der Benutzungsberechtigung an. Für diesen sind die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalles von Belang. Das heißt, es kommt gerade nicht allein darauf an, dass die Beklagte als Nutzerin verpflichtet gewesen wäre, vor der Verwendung der Fotos einen Lizenzvertrag mit dem Kläger zu schließen. Vielmehr muss auch bedacht werden, dass Lizenzvertragsparteien erfahrungsgemäß berücksichtigen, dass und in welchem Umfang der Rechtsinhaber auch Dritten die Nutzung gestattet hat (BGH GRUR 2006, 136, 138 – Pressefotos).

 

Dementsprechend ist davon auszugehen, dass auch die Parteien im Rahmen eines Lizenzvertrages einkalkuliert hätten, dass die Fotografien aus einer Auftragsproduktion für die Nebenintervenientin stammten und der Kläger dieser bereits die Nutzung u.a. auf der eigenen Homepage eingeräumt hatte.

 

Einerseits wäre der Kläger nämlich damit ohnedies verpflichtet gewesen, der Nebenintervenientin gegen eine angemessene Erhöhung seines Honorars die Zustimmung zur kostenlosen Weitergabe an ihre Vertriebspartner zu erteilen – und genau dies entsprach seinem ursprünglichen Ansinnen im Zuge der Verhandlungen mit der Nebenintervenientin Ende 2011/Anfang 2012.

 

Andererseits hätte die Beklagte sich vernünftigerweise an die Nebenintervenientin, die bereits über den Kontakt zum Fotografen verfügte, gewandt, um das für die eigene Werbung notwendige Fotomaterial zu erlangen – und genau dies hat sie tatsächlich auch getan. Im Übrigen stand ihr ohnehin die kostenlose, wenn auch für ihre Kunden nicht gleichermaßen komfortable Alternative zur Verfügung, mittels eines Links auf die Homepage der Nebenintervenientin zu verweisen.“

 

 

Diese Ausführungen des OLG in seinem Fotorechts-Urteil vom 17.11.2015 (Az.:4 U 34/15) gehen m.E. an der Rechtslage vorbei. Denn im Verhältnis zwischen dem Fotografen und der Beklagten muss festgehalten werden, dass die Beklagte ein dem Fotografen fremdes Unternehmen war und der Fotograf mit der Beklagten in keinerlei vertraglichem Verhältnis stand. Wenn die Beklagte als Nichtberechtigter Lichtbilder verwendet, kann sie nicht besser gestellt werden als irgendein beliebiger Dritter, nur weil sie die Lichtbilder (unerlaubter Weise!) von dem Vertragspartner des Fotografen bezogen hatte. Die Beschränkung auf das mit dem Vertragspartner vereinbarte Bildhonorar schränkt die Vertragsfreiheit im Fotorecht m.E. in unzulässiger Weise ein.