Urteile des Landgerichts Saarbrücken zu Fotorechten und Bildrechten

Das Landgericht Saarbrücken hat eine sehr weit gehende räumliche Zuständigkeit. Das Gericht ist im gesamten Saarland das einzige Landgericht. Daher das Landgericht Saarbrücken dort für fotorechtliche und bildrechtliche Streitigkeiten zentral zuständig für alle Auseinandersetzungen mit einem Streitwert von mehr als € 5.000,00. Im gesamten Saarland kommt daher den Urteilen und Beschlüssen des Landgerichts Saarbrücken im Fotorecht und im Bildrecht besondere Bedeutung zu.

 

Landgericht Saarbrücken Fotorecht: Kammern 7 und 4

Zuständig für bildrechtliche Streitigkeiten sind beim Landgericht Saarbrücken die 7. und die 4. Zivilkammer. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken, die zugleich Kammer für Handelssachen ist, entscheidet als Zivilkammer u.a. Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Berufungen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Wettbewerbs-, Kartell-, Patent-, Gebrauchsmuster-, Design-, Kennzeichen-, Urheber-, Marken-und Verlagsrecht mit Ausnahme der in Nr. 2.4.2. Spiegelstrich 1 des Geschäftsverteilungsplans bezeichneten Verfahren sowie Verfahren nach § 1 UKlaG), auch soweit es sich um vertragliche Ansprüche handelt, sowie die Beschwerden gegen Beschlüsse gemäß §§ 91 a, 99 Abs. 2, 936, 922 Abs. 3 ZPO sowie Beschlüsse betreffend die Prozesskostenhilfe in Sachen, die derartige Ansprüche zum Gegenstand haben. Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken entscheidet u.a. über Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Berufungen über Ansprüche aus Veröffentlichung durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen und Internet, einschließlich aller Ansprüche nach dem Pressegesetz sowie die Beschwerden gegen Beschlüsse gemäß §§ 91 a, 99 Abs. 2, 936, 922 Abs. 3 ZPO sowie Beschlüsse betreffend die Prozesskostenhilfe in Sachen, die derartige Ansprüche zum Gegenstand haben.

 

Landgericht Saarbrücken Bildrecht-Urteil vom 16.07.2015 (AZ.: 4 O 152/15)

Einen interessanten bildrechtlichen Fall hat das Landgericht Saarbrücken am 16.07.2015 zu seinem Aktenzeichen 4 O 152/15 entschieden. Es handelte sich um das Urteil im Fall einer einstweiligen Verfügung. Der Tenor der Entscheidung lautete wie folgt:

 

 

 

"1. Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

 

 

 

a.    in identifizierender Weise durch Wort- und Bildberichterstattung, insbesondere durch Veröffentlichung von Fotos des Elternhauses der Unterlassungsgläubigerin, Veröffentlichung von Fotos der Unterlassungsgläubigerin, die nur im Gesichtsbereich unkenntlich gemacht wurden und Nennung weiterer personalisierender Merkmale, über den von der Unterlassungsgläubigerin am durch Sturz aus einem Fenster erlittenen Unfall im Internet auf der Seite www.bild.de oder auf sonstigen Internetseiten/in sonstigen Medien zu berichten oder berichten zu lassen;

 

 

 

b.    in Zusammenhang mit dem von der Unterlassungsgläubigerin am erlittenen Unfall im Internet auf der Seite www.bild.de oder auf sonstigen Internetseiten/in sonstigen Medien in der Weise zu berichten oder berichten zu lassen, dass dem Leser suggeriert wird, die Unterlassungsgläubigerin habe bei dem Unfall unter Drogen gestanden, insbesondere durch Bezugnahme auf die folgende Aussagen, die ein Polizist getätigt haben soll: „Das Mädchen war tagsüber mit seiner Schwester am See zum Feiern. Dabei verlor die Schwester sie mehrfach aus den Augen. Es ist möglich, dass das Mädchen unter Drogen stand.“

 

 

 

2. Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner."

 

 

 

Hintergrund der Entscheidung war der Bericht einer großen Zeitung über ein 16jähriges Mädchen, welches aus dem Fenster ihres Elternhauses gestürzt war und sich dabei schwere Verletzungen zugezogen hatte. Die Klägerin mahnte zunächst den Zeitungsverlag erfolglos ab und beantragte dann beim Landgericht Saarbrücken aufgrund der identifizierenden Berichterstattung in der Zeitung den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Landgericht Saarbrücken ordnete eine Terminierung an und entschied sodann durch Urteil, mit welchem die beantragte einstweilige Verfügung erlassen und die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Verlag auferlegt wurden. Im Rahmen der vorzunehmenden bildrechtlichen Bewertung nach §§ 22, 23 KUG führte das Landgericht Saarbrücken folgendes aus:

 

 

 

„Ein Bildnis liegt vor, wenn die Darstellung dazu bestimmt und geeignet ist, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Betrachter vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser bestimmten Person eigen ist, wiederzugeben. Von einem Bildnis kann nur gesprochen werden, wenn der Abgebildete als Person erkennbar ist (OLG Hamburg in AfP 1991,590; OLG Stuttgart, NJW-RR 1992, 536). Die Möglichkeit der Identifizierung folgt regelmäßig daraus, dass die Gesichtszüge erkennbar sind (Rixecker a.a.O. Anhang zu § 12 Rn. 48). Notwendige Bedingung ist dies indessen. Die Rechtsprechung stellt keine hohen Anforderungen an die Erkennbarkeit. So müssen nicht unbedingt die Gesichtszüge zu sehen sein. Es reicht aus, wenn andere Merkmale (typische Körperhaltung, Frisur o.ä.) oder der beigefügte Text auf die Person hindeuten (Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Auflage, 43. Kap. Rn. 4 mit weiteren Nachweisen). Der Bildnisschutz entfällt nicht allein durch Verwendung von Augenbalken oder anderen Retuschen (Rixecker a.a.O.). Andere typische Merkmale der äußeren Erscheinung – bekleidete und unbekleidete Körperansichten – können für die Erkennbarkeit ebenso genügen wie eine Benennung in dem die Abbildung begleitenden Text (Rixecker a.a.O.). Die Erkennbarkeit einer Person scheitert nicht an der Verpixelung ihrer Gesichtszüge (Saarländisches Oberlandesgericht; Urteil vom 29.04.2009 – 5 U 4651/08).  Zwar gilt für literarische Texte, dass sich einem „mehr oder minder“ großen .Personenkreis die Identifizierung aufdrängt, einer Schlüsselungsmöglichkeit aber nicht genügt (BVerfG NJW 2008,39). Das kann indessen nicht auf alle Äußerungen, die das Persönlichkeitsrecht eines konkreten Menschen der Sache nach zu beeinträchtigen vermögen, übertragen werden, weil ansonsten die Größe eines Bekanntenkreisen über den Schutz ihrer Ehre oder ihrer Identität entschieden würden (Saarländisches Oberlandesgericht a.a.O.). Es kommt auf den Einzelfall an.

 

 

 

Es ist nicht entscheidend, wie viele Betrachter oder ob ein flüchtiger Durchschnittsbetrachter das Bildnis einer bestimmten Person zuordnen. Es reicht aus, dass der Abgebildete begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne, wenn auch nur im Bekanntenkreis, identifiziert werden (Rixecker a.a.O.; BGH NJW 1971, 698; BGH NJW 1997,2205). So reicht für die Erkennbarkeit etwa aus, wenn Mitglieder einer Fußballmannschaft, in der der Abgebildete spielt, diesen erkennen können (Ricker/Weberling a.a.O. Rn. 5). Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin hier identifizierbar abgebildet. Unter     vom 18.05.2015 sind 2 Lichtbilder erschienen, die die Klägerin zeigen. Die Klägerin hat begründeten Anlass anzunehmen, sie könne – jedenfalls von ihrem Bekanntenkreis – identifiziert werden. Das Gesicht der Klägerin ist auf beiden Lichtbildern verpixelt. Es werden auch nicht lediglich Augenbalken verwendet. Auf dem Lichtbild Seite 29 b) d.A. ist das komplette Gesicht verpixelt, wohingegen auf dem Lichtbild GA BI. 29 a) ein Teil des Auges und der Wange der Klägerin zu sehen ist. Erkennbar ist auf den Lichtbildern jedoch der komplette Körper der Klägerin, ihre Kleidung und Statur sowie Haarfarbe und Haarfrisur. Desweiteren ist zwar der Name der Klägerin in dem Text nicht genannt, allerdings erfährt der Leser aus der Unterschrift unter den

 

Bildern, dass die Klägerin aus      stammt und in der ersten Zeile des Textes, dass es sich um ein 16-jähriges Mädchen handelt. Hinzu kommt, dass auf einem Dritten Foto das Elternhaus der Klägerin zu sehen ist, auch wenn dieses nicht ausdrücklich als Elternhaus oder Wohnhaus der Klägerin bezeichnet ist. Es handelt sich bei dem abgebildeten Haus allerdings um ein charakteristisches Fachwerkhaus mit freigelegtem Fachwerk, wie es in der Region nicht stark verbreitet ist.

 

Die Klägerin hat begründeten Anlass anzunehmen, dass zumindest Nachbarn, Klassenkameraden, Lehrer, Freunde/Altersgenossen sowie der Bekanntenkreis ihrer Eltern sie anhand ihrer Statur und Haarfarbe in Zusammenhang mit Angabe von Alter und Wohnort erkennen. Hinzu kommt, dass das Haus, aus dem sie stürzte, abgebildet und aufgrund seiner Charakteristika für Nachbarschaft und Bekanntenkreis deutlich erkennbar ist, auch wenn nicht erklärt ist, dass es sich um das Wohnhaus der Klägerin handelt. Dies gilt gerade auch und insbesondere im ländlichen, nicht-anonymen Umfeld – hat ca. 700 Einwohner. Es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Klägerin und deren Elternhaus in einem sehr kleinen Ort über Familie und enge Freunde sowie das unmittelbare Schul- und Nachbarschaftsumfeld hinaus in dem Ort bekannt ist und erkannt wird.

 

 

 

3.

 

 

 

Nach § 22 KUG ist grundsätzlich eine Einwilligung in die Verbreitung bzw. Zurschaustellung der Abbildung erforderlich. Diese Einwilligung kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden (Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Auflage, Kap. 43 Rn. 6). Grundsätzlich hat derjenige, der sich auf eine Einwilligung beruft, die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen (BGH, NJW 1965, 134; von Strobl-Albeg a.a.O. Rn.76) bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren glaubhaft zu machen. Eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der Lichtbilder liegt nicht vor.

 

 

 

4.

 

 

 

Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Personenbildnisses ist vorbehaltlich von § 23 Abs. 2 KUG nur zulässig, wenn dieses Bildnis nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) positiv zuzuordnen und so aus dem grundsätzlich umfassenden Bildnisschutz ausgegliedert ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 V1 ZR 230/08). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich bei der Klägerin um eine Privatperson, die nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Die Abbildung der Folgen eines Sturzes eines Teenagers aus einem Fenster des eigenen Hauses stellt einen persönlichen Unglücksfall dar, stellt jedoch kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte dar. Der Schutz des Privatlebens setzt sich hier gegenüber dem Sensationsinteresse der Allgemeinheit und einer Abbildung der Klägerin durch (Ricker/Weberling a.a.O. Rn. 24).“

 

 

 

Das Landgericht Saarbrücken hat hier dem Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person den Vorrang eingeräumt vor dem Informationsinteresse der Allgemeinheit – Landgericht Saarbrücken Fotorecht Bildrecht Urteil vom 16.07.2015 (AZ.: 4 O 152/15)